15.04.2022
Faszination Reiten
Reiten übt nicht von ungefähr eine besondere Anziehungskraft auf viele Menschen aus: Es fördert nicht nur Muskulatur und Koordination, sondern auch Einfühlungsvermögen, Teamfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein. „Zu jung“ gibt dabei nicht: Schon Kinder ab zwei Jahren können ihre ersten Versuche machen.
Reiten ist der Traum vieler Kinder im Kita- und Schulalter, aber bei guter Gesamtverfassung für alle Altersgruppen geeignet. Denn es fördert die körperliche Fitness bis in hohe Alter: Es baut neben der Koordinationsfähigkeit auch das Herz-Kreislauf-System sowie fast alle Muskelgruppen auf. Die Bewegungen werden kraftvoller, der Stütz- und Halteapparat des Oberkörpers leistungsfähiger, der Rücken häufig schmerzfrei und die Figur sportlich. Denn der Körper muss sich ständig den Bewegungen des Pferdes anpassen und diese gleichermaßen beeinflussen. Die Fülle an Bewegungsreizen trainiert auch bereits im Grundsitz die Koordinationsfähigkeit und damit auch den Geist. Ein weiterer Vorteil: Reiter nehmen fast automatisch die richtige Körperhaltung ein. Der Wechsel zwischen Dehnung und natürlicher Komprimierung der Wirbelsäule stärkt nicht nur deren Halteapparat, sondern auch die Wirbel und Bandscheiben selbst.
Balsam für die Seele
Doch Reiten spielt sich keineswegs nur „hoch zu Ross“ ab, sondern schließt vielerlei Aufgaben mit ein. Der häufige direkte Kontakt zum Pferd fördert dabei die Bindung zwischen Pferd und Reiter. Wer darauf achtet, erkennt rasch die Vorlieben und Abneigungen des Tieres. Allein der Kontakt mit Pferden hat einen heilsamen Einfluss auf Psyche und Körpergefühl. Denn Spaßfaktor und emotionaler Ausgleich liegen weit über jedem Fitnesstraining. Wer reitet, lernt zudem, Ängste (auch Angst vor dem Pferd) zu bewältigen, Situationen selbst zu meistern, wird optimistischer, aktiver und übernimmt schneller Verantwortung. Das Pferd spiegelt die eigenen psychischen und kommunikativen Kompetenzen und Grenzen und hilft automatisch bei deren Gestaltung. Nicht umsonst sitzen selbstbewusste, kompetente Menschen „fest im Sattel“. So ergab eine Studie an der niederländischen Universität Van Hall Larenstein, dass Kinder und Jugendliche motivierter und zielorientierter sind und sich besser konzentrieren können, wenn sie regelmäßig reiten.
Pferde reagieren besonders auf Körpersprache und merken schnell, ob ein Mensch souverän und selbstbewusst auftritt, selbstsicher ist oder nur sich nur hinter einer Fassade verbirgt. Und im Gegensatz zu vielen Menschen zeigen sie das auch sofort und unmissverständlich. Nicht von ungefähr werden auch Pferdeseminare für Manager und Führungskräfte angeboten, auf denen Führungsstile und Kompetenzen gespiegelt werden.
Einstieg: Kein Start im Galopp
Nichts geht ohne die richtige Technik, denn das Pferd reagiert sensibel auf alle Bewegungen und Signale des Reiters. Stimme, Schenkeldruck, Gewichtsverlagerung und Zügelführung, eventuell auch die Gerte als Kommunikationsinstrument, leiten es durch die Übungen.
Interessierte sollten zum Einstieg immer einen Anfängerkurs belegen, den Reiterhöfe vor Ort anbieten: So mühelos der Pferdesport bei erfahrenen Reitern anmutet, so sehr erfordert er zunächst Geduld und Lernbereitschaft: Statt frei im Gelände zu galoppieren, wird zunächst an der Longe geübt, einer lange Leine, an der das Pferd in der Reithalle oder auf dem Reitplatz im Kreis geführt wird. Dabei gilt es, schrittweise Balance, Haltung, und Bewegungsabläufe zu erlernen – und natürlich den Umgang mit dem Pferd, das trotz seiner Größe zu den Fluchttieren zählt und im Schnitt das Siebenfache Gewicht seines Reiters auf die Waage bringt. Auch Theoriestunden zum Thema Pferde(-Haltung) und Reiten gehören dazu.
Mitzubringen sind dazu lange robuste Kleidung, ein Reithelm und feste Schuhe, für das regelmäßige Reiten außerdem Rückenprotektor, Reithose, -stiefel und -handschuhe. Sattel, Zaumzeug und weitere Ausrüstung für das Pferd werden im Normalfall vom Reiterhof gestellt.
Die Wahl der richtigen Reitschule
Bei der Wahl Ihrer Reitschule sollten Sie sorgfältig vorgehen, denn eine gute Grundausbildung ebnet den weiteren Weg als Reiter, nicht zuletzt auch für Ihre Sicherheit. Am besten besuchen Sie mehrere Reitschulen und entscheiden dann nach folgenden Kriterien:
- Werden die Pferde artgerecht gehalten und erhalten auch Weidegang?
- Wirken der Betrieb und die Tiere gepflegt?
- Wird in kleinen Gruppen gearbeitet?
- Wirken Betreiber und Mitarbeiter zufrieden, freundlich und kompetent?
- Gibt es speziellen Unterricht für Anfänger aller Altersklassen, der auch die Pflege und den Umgang mit dem Pferd mit einschließt?
- Stehen ausreichend Schulpferde, Flächen und Trainer/innen zur Verfügung?
- Eine Schnupperstunde kann helfen, einen aussagekräftigen Eindruck zu gewinnen.
Reitdisziplinen von Freizeit- bis Springreiten
Die größte Verbreitung erfährt das Freizeitreiten: Hier wird besonderer Wert auf eine harmonische Beziehung zum Pferd und leichte, naturverbundene sowie vielseitige Reiteinheiten gelegt – bis hin zu längeren Ausritten im Rahmen des Wanderreitens. Deutlich ambitionierter ist das Dressurreiten mit festgelegten Übungen sowie das dynamische Springreiten: Hier müssen in möglichst kurzer Zeit Parcours-Hindernisse, schließlich bis zu 1,60 m Höhe, übersprungen werden. Dabei kommt es auf Kraft, Geschicklichkeit, Balance, Rhythmusgefühl und Verständigung zwischen Pferd und Reiter an. Beim Vielseitigkeitsreiten werden außerdem Dressur, Springen und Geländereiten kombiniert. Immer populärer wird auch das Distanzreiten, bei dem Strecken zwischen 32 und 160 km zurückgelegt werden – eine Meisterleistung in Sachen Ausdauer. Regelmäßige Verfassungskontrollen verhindern dabei eine Überlastung der Pferde. Weitere Reitstile sind Jagdreiten (heute ohne echtes Wild), Voltigieren (akrobatische Turn- und Gymnastikübungen auf dem Pferd), Orientierungs-, Formations-, Kunst- und das vielseitige, an der direkte Reitweise der Cowboys orientierte, Westernreiten. Während Pferderennen auf Galopp- oder Trabrennbahnen meist fernab des üblichen Reitschulbetriebs stattfinden, kann dieser nach abgeschlossener Grundausbildung einen Einstieg in den Turniersport bieten.
Eine weitere gute Nachricht: Da es für fast jeden Geldbeutel und Zeitumfang das passende Reitangebot im näheren Umkreis gibt, lässt sich der Traum vom Reiten mit dem entsprechenden Engagement meist verwirklichen.
Quelle: www.fkm-verlag.de