Die besten Reisen machSt Du zu dir selbst ©stock.adobe.com ValentinValkov
Lifestyle

Raus aus der Optimierungsfalle

Die besten Reisen machst du zu dir selbst

Um Körper, Geist und Fitness ist ein regelrechter Kult entstanden. Alles muss top sein, jeder will mehr vom Leben haben. Mittlerweile ist unsere Gesellschaft vom Selbstoptimierungswahn geprägt. Die Macht der Zahlen und das Self-Tracking haben uns fest im Griff. Das kann schnell krank machen, anstatt die Gesundheit und das Wohlbefinden zu fördern. Wir haben bei Sandra Guhlke nachgefragt – sie bietet systemisches Coaching an und berät Führungskräfte in Unternehmen wie auch Einzelpersonen.

 

Was ist für ein erfülltes, glückliches Leben wichtig?

Sandra Guhlke: Dass man zuerst einmal herausfinden muss, wohin es einen innerlich zieht. Dazu braucht es Achtsamkeit für sich selbst. Das Bewusstsein, dass ich in MEINEM Leben an 1. Stelle stehen darf und muss. Dass ich bei dem, was ich tue, Begeisterung, Vitalität und Erfüllung empfinde. Dass ich entdecke oder weiß, nach welchen Werten ich leben möchte. Dass ich Sinn empfinde, in dem, was ich mache – auch wenn es manchmal anstrengend ist. Dass ich selbstwirksam sein kann.

 

Wann ist es Zeit für die eigene Veränderung?

Jeden Tag. Allerdings nicht im Sinne von weiter – höher – schneller, sondern um Lebendigkeit zu spüren. Routinen aufzubrechen kann auch Spaß machen und belebend sein.

 

Was mit positiver Intention beginnt – ein besseres Lebensgefühl, neue Chancen, Stressabbau, Fitness, kann ins Negative schlagen. Wie sehen Anzeichen der Überforderung aus?

Einflüsse von außen (z. B. social media oder bearbeitete Bilder) führen leider häufiger dazu, dass viele Menschen ein unrealistisches Bild von dem, was machbar ist, erhalten. Sie bewegen sich im Außen, nicht mehr in ihrer inneren Welt.

Das perfekte Aussehen, der perfekte Beruf, die perfekten Reisen, Freunde etc. und das auch noch vollständig stressfrei. Das erhöht nach und nach den inneren Druck. Man möchte das auch alles haben und sein und vergleicht sich permanent mit den anderen. Diese „Vergleicheritis“ ist der Tod der inneren Zufriedenheit und Erfüllung.

Dadurch ist eine Überforderung früher oder später vorprogrammiert. Anzeichen hierfür können Erschöpfung, schlechte Laune, Schlafstörungen, Gereiztheit und eine gefühlte Sinnlosigkeit sein.

 

Die besten Entdeckungsreisen macht man nicht in fremde Länder, sondern indem man die Welt mit neuen Augen betrachtet (Marcel Proust).

 

Menschen in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Wirkung begleiten – ist damit der leistungsstarke, fitte, potente Körper gemeint, der wie eine Maschine funktioniert. Was ist Ihr Ansatz?

Portraitfoto ©Tim Schnieber
Portraitfoto ©Tim Schnieber
Nein! Ganz im Gegenteil. Zum Glück funktioniert unser Geist nicht wie eine Maschine, sondern besteht aus einem komplexen Zusammenspiel zwischen Körper und Seele. Wir brauchen also in allen Lebensbereichen die innere und äußere Balance. Und wenn wir die Balance mal verlieren, braucht es Humor, Nachsicht mit sich selbst und das Wissen, dass man gut genug ist, so wie man ist. Schön ist es, wenn Menschen von innen heraus etwas tun und nicht, um anderen etwas zu beweisen oder einem bestimmten Bild zu entsprechen.

Dies ist ein großes Anliegen von mir in meiner Arbeit. Menschen dazu zu ermächtigen, ihre individuelle Persönlichkeit leben zu können. Mit Lebendigkeit und Freude neue Herausforderungen anzugehen, ihre Denkweise zu transformieren und ein Leben in Fülle und nicht im Mangel zu erleben.

 

Wer jede Aufgabe zu 150 Prozent lösen will, hat meist Stress. Warum eigentlich?

Weil uns tagtäglich eine so große Menge an Aufgaben und Herausforderungen ins Haus flattert, dass kein „Briefkasten“ der Welt mehr fähig ist, dies alles aufzunehmen. Ich nehme wahr, dass im Laufe der letzten Jahre nochmals eine Zunahme an Erwartungen, Ansprüchen und Geschwindigkeit entstanden ist, die viele Menschen heillos überfordert zurücklässt.

Wir müssen perfekt im Beruf sein, uns immer weiterbilden, ein perfekter Ehemann, Ehefrau, Mutter, Vater, Tochter, Nachbar, Freund sein, uns regelmäßig über politische Gegebenheiten informieren, gesund leben, viel Sport treiben, uns in der Schule der Kids engagieren oder die Eltern pflegen und das alles gleichzeitig. Das kann nicht funktionieren!

Und die Frage ist: Muss ich wirklich in allen Lebensbereichen 150 Prozent geben? Hier heißt es, sich auf die Schliche zu kommen. Ist das wirklich Ihr persönlicher Anspruch oder denken Sie, Sie müssten die Erwartungen anderer erfüllen? Ich zum Beispiel liebe es, lecker und gesund zu essen. Ich kann aber überhaupt nicht kochen und mache das auch nicht gerne. Ich finde es anstrengend und lästig. Also kocht mein Mann für mich und mittlerweile kochen auch meine Kids, das finde ich großartig! Dafür wende ich sehr viel Zeit für Sport auf. Das ist mein Ding. Dafür muss ich Abstriche in anderen Lebensbereichen machen. Sie entscheiden, was Ihnen wichtig ist!

 

Sie entscheiden, was Ihnen wichtig ist!

 

Lässt sich Fehlertoleranz lernen und was nützt sie?

Ja unbedingt. Die Fehlertoleranz ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Sie müssen also Fehler machen und ungute Gefühle aushalten. Sie müssen erfahren, dass eigentlich nichts Schlimmes passiert. Meistens sind es die Worst-Case-Szenarien im Kopf, die das größte Problem bereiten. Vor allen Dingen für Frauen. Diese sind oft Meisterinnen in dieser Disziplin.

 

Welche Einflussgröße macht „Selbstbestimmung“ aus. Ist das auch ein Schlüssel zum Glück?

©istockphoto.com/gradyreese
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Selbstbestimmung ist essentiell wichtig. Sie gibt uns das Gefühl, unser Leben gestalten zu können und Herr im eigenen Haus zu sein. Dies gilt jedoch nicht immer. In der Familienzeit haben vor allen Dingen oft Mütter das Gefühl, nicht mehr selbstbestimmt leben zu können. Wenn ich in so einer Lebensphase bin, braucht es andere Qualitäten – sich auf die neue Situation einlassen, um flexibel darauf reagieren zu können. Der Sinn in dieser Zeit ist ein anderer. Deshalb mag ich den Begriff Selbstwirksamkeit lieber. Auch wenn ich mal nicht selbstbestimmt sein kann (was im Übrigen für viele Angestellte in Unternehmen zutrifft), kann ich mit meinen Fähigkeiten Wirksamkeit erzeugen und diese macht glücklich.

 

Aus FOMO (Fear of Missing out) wird JOMO (Joy of missing out). Wieso tut das gut? Lässt es sich erlernen, es auch mal gut sein zu lassen?

Wir sollten diesem Punkt unbedingte Aufmerksamkeit schenken. Hier liegt auf jeden Fall ein Schlüssel für Veränderung. Ich erlebe so viele Menschen, die mechanisch Verpflichtungen nachkommen, die ihnen nicht guttun. Sie denken nicht nach und sagen zu vielem ja. Es braucht einen gesunden Egoismus – zu überlegen, ob ich die wiederholte Einladung von Freunden zu Partys annehmen muss, auch wenn ich keine Lust habe und lieber mit einem Buch auf der Couch liegen würde. Das Risiko ist natürlich da, jemanden zu enttäuschen. Das gilt es auszuhalten. Aber langfristig ist der Effekt für das eigene Leben großartig. Man wird achtsamer mit seinen Bedürfnissen und spürt viel mehr, was man in bestimmten Situationen braucht und was nicht.

 

Wann und wie ist Coaching hilfreich?

Dann, wenn ich gerne schnell eine Veränderung erzielen möchte. Wenn ich merke, dass ich mir mit meinen Glaubenssätzen immer wieder Steine in den Weg lege. Wenn ich die immer gleichen Gedanken denke. Insgesamt, wenn ich mir etwas Gutes tun möchte und erkannt habe, dass ausschließlich ich selbst der Gestalter meines Lebens bin und dem auch Aufmerksamkeit und Achtsamkeit schenken möchte!

 

„Raus aus der Ehrgeiz-Falle“ – welche Tipps gibt es dafür?

  • Sich nicht mit anderen vergleichen
  • Eine Auszeit von social media nehmen
  • Handy ausschalten
  • Sich auf die Couch legen und ein Buch lesen
  • Neue Gewohnheiten entwickeln
  • In die Natur gehen

Das sind Tipps, die könnten passen, müssen es aber nicht – Sie entscheiden selbst. Ich bin sicher, jeder Mensch hat die natürliche Begabung, dieser leisen Stimme in einem selbst mehr Gehör zu schenken. Dann werden Sie Ihre eigenen Antworten finden!

Machen Sie eine Reise zu sich selbst
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