Das Glück  entsteht in uns ©stock.adobe.com ValentinValkov
Lifestyle

Schulfach Glückskompetenz?

Das Glück entsteht in uns

Machen Sie dieses zu Ihrem Glücksjahr. Wir helfen Ihnen und nehmen Sie mit auf den Weg zum Glück. Lassen Sie uns gemeinsam erfahren, was es bedeutet, glücklich zu sein und wie wir unsere Glücksgefühle fördern können. Wir starten mit Glücksforscher Tobias Rahm und Glücksexpertin Carina Mathes. Beide befassen sich mit dem Schulfach „Glückskompetenz“ und dem Forschungsprojekt „GlüGS“. Ist Glück erlernbar, können wir es trainieren? Wenn ja, können Kinder, Lehrende und Eltern gar nicht früh genug damit anfangen, denn es hat Vorteile. Wir haben nachgehakt.

Diplom-Psychologe am Institut für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig
Diplom-Psychologe am Institut für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig

 

Trainerin für Glückskompetenz, Referentin und Autorin
Trainerin für Glückskompetenz, Referentin und Autorin

Das Schulfach Glückskompetenz basiert auf positiver Psychologie und den Erkenntnissen der Resilienz-, Lern- und Gehirnforschung.

 

Diplom-Psychologe Tobias Rahm (Diplom-Psychologe am Institut für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig) leitet das Forschungsprojekt „GlüGS“ (Glückskompetenz in der Grundschule) des Instituts für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig. An 16 Braunschweiger Grundschulen stehen derzeit für rund 300 Schülerinnen und Schüler 11 Glücksstunden auf dem Programm. Anhand eines Lehrplans rund um Glück integrieren die Forscher das Thema in die Lehrkräfteausbildung und untersuchen die Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler wissenschaftlich. Sie wollen überprüfen, ob es einen messbaren Erfolg gibt.
Als Trainerin für Glückskompetenz gibt Carina Mathes (Trainerin für Glückskompetenz, Referentin und Autorin) seit 2007 Workshops und leitet Menschen in Einzel- und Gruppensitzungen dazu an, das Glücklichsein selbst in die Hand zu nehmen. Als Autorin hat sie mehrere Bücher zum Thema „Schulfach Glückskompetenz“ veröffentlicht.

Was kann ein Schulfach Glück bringen?
Tobias Rahm:
Chronisch unter Stress zu stehen, macht krank. Erkenntnisse aus dem Fachgebiet der Positiven Psychologie legen nahe, dass Menschen mit einem hohen Wohlbefinden unter anderem kreativer und produktiver sind, besser Probleme lösen können, ein stärkeres Immunsystem und eine höhere Widerstandskraft gegen psychische Beanspruchungen aufweisen.
Carina Mathes: Das Schulfach Glückskompetenz basiert darauf und auf den Erkenntnissen aus der Resilienz- sowie der Lern- und Gehirnforschung. Glücklichsein ist erlernbar. Das Schulfach soll dazu beitragen, Schülerinnen und Schüler zu authentischen Personen heranreifen zu lassen, die in der Lage sind, Eigenverantwortung für ihr Glücksempfinden zu übernehmen.

Wie kommt man zur Glücksforschung?
Tobias:
Als ich an der Uni anfing, ging es viel um Lehrergesundheit und Stressmanagement. Das fühlte sich für mich irgendwann wie Brandbekämpfung an. Gleichzeitig kam zur Jahrtausendwende die „positive Psychologie“ auf, wo es um Wohlbefinden, Training von Wohlbefinden, Sinn und Nutzen ging. Daraus entwickelte ich die Idee, die Lehrenden nicht nur zu entstressen, sondern glücklicher zu machen, denn glückliche Lehrkräfte sind erfolgreicher in der Schule und im Leben. Das war der erste Schritt. Doch wie muss ein Unterricht aussehen, der alle – auch Schülerinnen und Schüler – glücklich macht? Ich traf Carina, die Lerninhalte für einen Glücksunterricht an Schulen entwickelt hatte und startete mit ihr das Projekt.
Carina: Ich komme von der inhaltlichen Seite und stieß vor 15 Jahren auf die für mich damals neue Erkenntnis, dass man Glücklichsein trainieren kann. Meine Begeisterung war sofort geweckt: Es ist möglich, sich selbst optimistisch zu stimmen. Es lohnt sich, so früh wie möglich damit anzufangen, um gar nicht erst zum Grummelbär zu werden. Dabei ist es hilfreich zu wissen, was man tun kann, um sein eigenes Wohlbefinden zu fördern. Mir war schnell klar, dass dieses Thema in Schule, Kindergarten und Elternhaus gehört. Also habe ich gemeinsam mit Lehrkräften einen Lehrplan erarbeitet, der die Basis für unsere dreimonatige Schulstudie bildet.

 

Glück ist vor allen Dingen subjektives Wohlbefinden. Glück zu erforschen ist einigermaßen trickreich.

 

Ganz kurz: Wie ist das Projekt aufgebaut?
Carina:
Die Studie selbst richtet sich an Schülerinnen und Schüler in Grundschulen mit dem Ziel, wissenschaftlich zu ermitteln, ob das Wohlbefinden steigt und die Kinder vom Programm wirklich profitieren.
Tobias: Im Rahmen der Studie bekommen angehende Lehrkräfte wöchentlich von Carina produzierte Lernvideos zur Durchführung einzelner Glücksstunden. Sie nehmen an einer Präsenzsitzung mit uns teil, in der wir gemeinsam reflektieren und uns abstimmen. Dann geben sie selbstständig eine von 11 Glücksstunden (an einer der beteiligten Schulen) in der Glücksgruppe. Die Kontrollgruppe bekommt keine Stunden.
Die Studie durchläuft gerade den zweiten Messzeitpunkt, es folgen noch weitere und dann wird sich zeigen, ob die Glücksgruppe besser abschneidet als die Kontrollgruppe. Zusätzlich führen wir Interviews mit Eltern, Schülerinnen und Schülern, die wir auswerten. Die Resonanz der Kinder stimmt mich jetzt schon optimistisch. Vielleicht bildet sich das auch in den Auswertungen ab.

 

©depositphotos.com
©depositphotos.com
©istockphoto.com - Chris Ryan

 

Wie läuft eine Glücksstunde ab?
Carina:
Wir wissen, dass es für Kinder wichtig ist, wie sie einen Schultag beginnen und wahrgenommen werden. Kinder möchten angeschaut, angelächelt und mit eigenem Namen begrüßt werden, jedes einzelne Kind – eine Selbstverständlichkeit, die im Alltag oft ausbleibt. Die Lehrkräfte starten damit in ihre Stunde. Die Kinder dürfen dann aus drei verschiedenen Begrüßungsritualen auswählen, zum Beispiel Handschlag, Herzzeichen oder eine coole Bewegung. Sie erleben sofort, dass sie wertgeschätzt werden. Umgekehrt erfahren die Lehrkräfte etwas über die Tagesform des einzelnen Kindes.

Welche Themen werden vertieft?
Carina:
Dankbarkeit ist ein großes Thema. Wir kommen automatisch in ein gutes Gefühl, wenn wir uns bewusst machen, wofür wir dankbar sind im Leben. Die Lehrkräfte erzählen dazu eine einleitende Geschichte, welche die Kinder dann weiterentwickeln. Sie verstehen Zusammenhänge erstaunlich schnell, das ist faszinierend. Lehrkräfte und Kinder basteln zusammen eine Dankbarkeitskette für den Klassenraum. So entsteht eine gute Verbindung untereinander, das ist eine super Voraussetzung für gutes Lernen. Sie gestalten Kleeblätter, die zeigen, was die Kinder glücklich macht. In einen gelben Rucksack legen die Kinder alles rein, über was sie sich in der Woche gefreut haben. Der Rucksack taucht immer wieder auf und rahmt das Projekt ein.

Was ist denn Glück eigentlich?
Tobias:
Glück ist vor allen Dingen subjektives Wohlbefinden. Das sagte Ed Diener, der erste große, führende Wohlbefindensforscher, bereits in den 1980er Jahren. Menschen, die ein hohes subjektives Wohlbefinden haben, haben häufig gute Gefühle und selten negative sowie eine hohe Lebenszufriedenheit.
Glück zu erforschen ist einigermaßen trickreich. Wenn ich 100 Menschen frage, was für sie Glück ist, kommen sehr unterschiedliche Antworten wie gutes Wetter, viel Geld, Gesundheit, Freunde, Familie heraus. So lässt sich Glück aber kaum messen und noch weniger trainieren. Mit dem Begriff „subjektives Wohlbefinden“ wurde jedoch ein messbares, psychologisches Konstrukt geschaffen: Wie oft geben Menschen an, positive Emotionen und wie oft negative zu haben. Das ist die Basis für Glücksforschung. Es geht also in der Regel um subjektives Wohlbefinden, wenn wir Glück erforschen.
Carina: Für mich ganz persönlich bedeutet Glücklichsein sein, das passende Gefühl zur richtigen Zeit zu haben. Entspannung zum Beispiel in der Sauna, Mut bei einer wichtigen Entscheidung, Motivation wenn ich meinen Gartenzaun streichen will. Aber auch zum Beispiel Angst, wenn sie meinem Schutz dient oder Trauer, wenn sie mir hilft über einen schmerzhaften Verlust hinweg zu kommen. So haben alle Gefühle ihre Aufgabe und sind für uns in bestimmten Situationen besonders wichtig. Das vermitteln wir auch in den Glücksstunden.

 

Es ist wichtig, dass Kinder frühzeitig lernen, sich selbst positiv zu beeinflussen, indem sie gute Emotionen intensivieren und darauf mehr achten.

 

Glückskompetenz Eltern
©istockphoto.com - Chris Ryan
Negative Gefühle können also auch wertvoll sein?
Tobias:
Ja, negative wie positive Gefühle sind zunächst mal Hinweisreize, wobei negative das Stresssystem anschalten, was für den Körper energieaufwändig und anstrengend ist. Wenn diese negativen Gefühle lange andauern und zu wenig von erholsamen Situationen unterbrochen werden, ist das ungünstig für die physische und psychische Gesundheit. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder frühzeitig lernen, sich selbst positiv zu beeinflussen, indem sie gute Emotionen intensivieren und darauf mehr achten. Das ist der Mechanismus, warum Glück lernbar ist.
Carina: Dieses Wissen vermitteln wir und üben es im Glücksunterricht regelrecht ein. Denn für alles, was wir häufig denken, fühlen oder tun, bekommen wir im Gehirn größere Verschaltungen und es bilden sich neue, neuronale Netzwerke. Was gut verschaltet ist, fällt uns einfacher. Das merken wir bei jedem Hobby. Dies machen wir bewusst und trainieren das Positive mit den Schülerinnen und Schülern. Das Glück von heute ist das Glück von morgen.

Wie gehen die Eltern damit um, wenn die Kinder nach Hause kommen und sagen, sie hatten heute wieder Glück?
Carina:
Wir verschicken Elternbriefe und beziehen die Eltern mit ein. Wir klären sie auf und geben Tipps für zuhause, was die Eltern mit den Kindern gemeinsam umsetzen können: Zum Beispiel, sich am Familientisch auszutauschen, wofür jeder heute dankbar ist. So setzen wir die Glücksimpulse.

Gibt es Glücksnoten?
Tobias:
Nein, es gibt keine Noten, Glückskompetenz wird nicht als klassisches Schulfach, sondern als AG oder Projekt durchgeführt. Wenn wir in der Schule auf gute Gefühle achten und darauf, Selbstwirksamkeit zu erleben, beeinflusst das höchstwahrscheinlich auch positiv die Schulleistung. Auch Erwachsene kommen damit besser durchs Leben.
Carina: Es ist ja ganz logisch, dass mit positiver Energie tiefgreifender und besser gelernt werden kann. Wenn ich meine Selbstwirksamkeit besser erleben kann, bin ich motivierter, alleine etwas zu schaffen.

 

Auch gesellschaftlich können sich Menschen, die positiv gestimmt sind, konstruktiver einbringen?
Tobias:
Es kann eine erstaunliche gesellschaftliche Wirkung entfalten, wenn wir die für uns wichtigen Werte leben: Behandele andere so, wie du selbst behandelt werden willst. So ist es möglich für das eigene Wohlbefinden und das der anderen zu sorgen. Hilfsbereitschaft, Güte, Mitgefühl und gute Taten sind ansteckend. Ein Schulfach Glückskompetenz an Schulen würde aus meiner Sicht hier in die richtige Richtung weisen und könnte auch gesellschaftlich viel bringen. Je mehr Menschen erfahren, dass sie sich selbst positiv aufbauen können, umso besser ist es für die Gemeinschaft. Wir freuen uns über jeden, der zum Aufbau von Glückskompetenz an Schulen und darüber hinaus beiträgt.

Danke für das Gespräch.

Glücksforschung
Hallo, haben Sie eine Frage?
Überprüfen oder Zurücksetzen der Datenschutzeinstellungen