Auf ein langes, ­gesundes Leben -  ist Altern formbar?  ©stock.adobe.com ValentinValkov
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Auf ein langes, ­gesundes Leben - ist Altern formbar?

Der Jahreswechsel steht vor der Tür, mit vielen Wünschen für 2025. Auf Platz Eins stehen auch in diesem Jahr Gesundheit und ein langes Leben. Wer will nicht bis ins hohe Alter jung bleiben? Wir sprachen dazu mit dem Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können sich hier gerade nicht vor Anfragen retten, so hoch ist das Interesse am Thema Langlebigkeit. Da freut es uns um so mehr, dass wir Antworten zum aktuellen Wissensstand bekommen haben.

 

Das Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns betreibt Grundlagenforschung für ein langes Leben. Was haben Sie bei der Entschlüsselung der Geheimnisse des Alterns bislang herausgefunden, wie ist der Stand der Dinge?

Unser Institut wurde 2008 gegründet und hat sich zu einem der führenden Zentren für Alternsforschung entwickelt. Wir wissen heute, dass Altern sehr komplex ist und fast alle Prozesse in unserem Körper betrifft. Es gibt eine Vielzahl von genetischen, zellulären und Umweltfaktoren, die das Altern beeinflussen. Die Forschung am Institut zielt darauf ab, diese Prozesse besser zu verstehen, um letztlich Strategien zur Förderung eines gesunden Alterns zu entwickeln.

Zu den Höhepunkten unserer Forschung in den letzten Jahren gehört zum einen die Erforschung des so genannten Anti-Aging-Medikaments Rapamycin. Unsere Forschenden konnten zeigen, dass dieser Wirkstoff im Tiermodell das Leben verlängert und die Gesundheit im Alter verbessert, und zwar nicht nur, wenn er lebenslang eingenommen wird, sondern auch, wenn er früh im Leben nur für kurze Zeit verabreicht wird. Zum anderen hat eine Forschungsgruppe herausgefunden, dass die Größe einer kleinen Struktur im Zellkern, des Nukleolus, die Lebenserwartung vorhersagen kann. So haben langlebige Organismen kleinere Nukleoli als ihre kurzlebigeren Verwandten.

 

Können wir alle zukünftig 150 und älter werden? Wie sehr ist Altern – besonders im Hinblick auf ein langes, gesundes Leben – formbar/steuerbar?

Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen. Dies ist vor allem auf den medizinischen Fortschritt, bessere hygienische Bedingungen und eine ausgewogenere Ernährung zurückzuführen. Interessanterweise steigt aber die maximale Lebenserwartung nicht weiter an. Nach wie vor werden die Menschen nicht älter als etwa 120 Jahre. Deshalb gehen Forscherinnen und Forscher heute davon aus, dass es nicht ohne weiteres möglich ist, 150 Jahre und älter zu werden. Hinzu kommt, dass die Lebenserwartung in einigen Ländern, wie zum Beispiel den USA, nicht weiter ansteigt, was wahrscheinlich auf die Adipositas-Pandemie zurückzuführen ist.

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Was bedeutet der Begriff Langlebigkeit wissenschaftlich überhaupt genau?

Darunter verstehen wir die Fähigkeit, ein langes Leben zu führen, das über das durchschnittliche Sterbealter der jeweiligen Art hinausgeht. Als langlebig gilt, wer deutlich älter wird als andere Menschen derselben Generation.

 

Es gibt ja langlebige Familien, in denen Altern vererbt wird. Inwieweit ist das Alter eines Menschen genetisch veranlagt und damit definiert?

Aus Zwillingsstudien und Untersuchungen großer Stammbäume wissen wir, dass die Gene nur etwa 10 bis 15 Prozent ausmachen. Das ist eine gute Nachricht, denn es bedeutet, dass wir es weitgehend selbst in der Hand haben, gesund alt zu werden. Es gibt aber auch Familien, deren Mitglieder über viele Generationen hinweg deutlich älter werden als andere Menschen ihrer Generation. Bei ihnen spielen vermutlich Genvarianten eine Rolle, die sie besonders widerstandsfähig gegen altersbedingte Krankheiten machen.

 

Was ist Altern überhaupt, wie lassen sich Alterungsprozesse messen, und lässt sich der Prozess zurückdrehen?

In der Alternsforschung definieren wir Altern als den allmählichen Verlust der körperlichen Gesundheit, der dazu führen kann, dass der Körper nicht mehr so gut funktioniert und die Wahrscheinlichkeit zu sterben zunimmt. Auslöser sind Schäden an Erbsubstanz, Zellen und Geweben, die sich mit zunehmendem Alter anhäufen und vom Körper nicht mehr repariert werden können.

Es ist schwierig, den Alterungsprozess direkt zu messen, aber es ist möglich, verschiedene Aspekte zu messen. Seit 2018 gibt es die sogenannte epigenetische Uhr von Steve Horvath, die kleine Veränderungen in der DNA misst, um einen Teil des biologischen Alters eines Menschen zu bestimmen. Auch die Länge der Telomere lässt sich messen. Das sind Schutzkappen an den Enden unserer Chromosomen, die mit jeder Teilung kürzer werden.

In Tiermodellen wie Mäusen oder Fischen konnten Forschende bereits die Alterung bremsen und die Lebensspanne der Tiere verlängern. In Zellkulturen gelang es sogar, menschliche Zellen zu verjüngen. Klinische Studien am Menschen stehen allerdings noch aus.

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Inwieweit könnte man Altern zukünftig wie bei einer Krankheit mit Medikamenten behandeln?

Es gibt Medikamente wie Metformin oder Rapamycin, die im Tierversuch gute Ergebnisse gezeigt haben. Sie konnten das Leben der Tiere um bis zu 25 Prozent verlängern. Es laufen verschiedene Studien am Menschen, die nun zeigen müssen, ob das auch auf den Menschen übertragbar ist. Es wird noch einige Jahre dauern, bis die Ergebnisse vorliegen und wir mehr wissen. Wir möchten aber an dieser Stelle ganz klar davon abraten, diese Medikamente ohne ärztliche Begleitung einzunehmen, da sie schwere Nebenwirkungen haben können.

 

Welche Themengebiete untersucht Ihr Institut und welche sind besonders vielversprechend?

Wir untersuchen das Altern aus verschiedenen Blickwinkeln. Wir interessieren uns insbesondere für genetische Faktoren und zelluläre Prozesse wie Autophagie und DNA-Reparatur, die für die Aufrechterhaltung der Zellgesundheit entscheidend sind und die Lebensdauer und den Alterungsprozess beeinflussen. Darüber hinaus untersuchen wir die Rolle der Mitochondrien1, der Energieproduzenten der Zelle, im Alterungsprozess. Auch das alternde Gehirn und die damit verbundenen neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson sowie der Einfluss von Sport sind Gegenstand unserer Forschung. Letztendlich soll unsere Forschung dazu beitragen, ein gesünderes Altern des Menschen zu ermöglichen.

 

Wie wirken sich das Immunsystem und das Mikrobiom auf das Altern aus und welche Erkenntnisse/Prognosen gibt es dazu?

Mit zunehmendem Alter nimmt die Leistungsfähigkeit des Immunsystems ab, was zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit führt. Im Alter kann es auch zu einer dauerhaften, leicht erhöhten Entzündung im Körper kommen, die als „Inflammaging“ bezeichnet wird und zu vielen altersbedingten Krankheiten beiträgt. Die Bakterien in unserem Darm, die unser Mikrobiom bilden, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit und unser Altern. Wenn wir altern, verändert sich ihre Zusammensetzung, was mit verschiedenen Gesundheitsproblemen verbunden sein kann. Eine unserer Forschungsgruppen untersuchte die Alterung des türkisfarbenen Prachtgrundkärpflings und konnte zeigen, dass alte Fische länger aktiv bleiben und bis zu 40 Prozent länger leben, wenn sie die Darmbakterien von jungen Fischen erhalten.

 

Wie beeinflussen die Mitochondrien die Zellfitness und das Altern?

Mitochondrien können bei der Energiegewinnung reaktive Sauerstoffmoleküle erzeugen. Diese Moleküle können Zellen schädigen und galten lange Zeit als Hauptursache für das Altern. Neuere Studien zeigen jedoch, dass sowohl zu viele als auch zu wenige dieser Moleküle ungesund sind. Das bedeutet, dass die von den Mitochondrien produzierten Radikale in der richtigen Menge vorhanden sein müssen, um unsere Gesundheit und den Alterungsprozess zu unterstützen.

 

Was kann jeder selbst für ein gesundes, langes Leben tun?

Eine gesunde und ausgewogene Ernährung wirkt sich positiv auf den Alterungsprozess aus. Dies ist nicht nur allgemein bekannt, sondern auch durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt. Auch ausreichend Schlaf und regelmäßige Bewegung tragen dazu bei, im Alter gesund zu bleiben. Umgekehrt können chronischer Stress sowie der Konsum von Drogen, Alkohol und Zigaretten ein gesundes Altern erschweren. Darüber hinaus spielen nicht-physische Faktoren wie die Wohnsituation, das Bildungsniveau und das soziale Umfeld eine wichtige Rolle im Alterungsprozess.

Wer gesund altern möchte, sollte daher auf eine ausgewogene Ernährung achten, sich regelmäßig bewegen, ausreichend schlafen und auf Alkohol und Zigaretten verzichten. Wichtig ist auch, chronischen Stress zu vermeiden und soziale Kontakte zu pflegen.

 

Warum und wie hilft Sport so gut, das Altern zu verlangsamen?

Sport hilft aus vielen Gründen, das Altern zu verlangsamen. Regelmäßige körperliche Aktivität stärkt das Herz und verbessert die Durchblutung, was das Risiko von Herzerkrankungen verringert. Außerdem fördert sie den Erhalt der Muskelmasse und der Knochendichte. Sport kann auch chronische Entzündungen reduzieren, die mit vielen altersbedingten Krankheiten in Verbindung gebracht werden. Auch die Funktion der Mitochondrien wird deutlich verbessert, und die Recyclingprozesse in den Zellen, die sogenannte Autophagie, werden angeregt.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

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